Obwohl die Wirksamkeit von Kuschelgruppen bisher kaum wissen-schaftlich untersucht wurde, lässt sich einiges zur Bedeutung von Fühlen und Berührung sagen:

 

Berührungen stellen Kontakt zu anderen Personen her und vermitteln Gefühle und Empfindungen unmittelbarer und direkter als Sprache. Im Alltag zeigt sich dies z. B. bei Berührungsritualen wie dem Händedruck, der uns ganz viele Empfindungen und damit Informationen vermittelt, im Fußballstadion, wenn sich wildfremde Menschen aus Freude über einen Sieg um den Hals fallen oder bei einem Kind, das sich Trost suchend an den Vater oder die Mutter schmiegt, wenn es einen Kummer hat. Auch im therapeutischen Rahmen spielen Berührungen eine wichtige, wenn auch wenig beachtete Rolle im Heilungsprozess: So werden z. B. Senioren in Pflegeheimen seltener krank, wenn Sie häufiger durch entsprechend geschultes Personal berührt werden, Haustiere streicheln können oder Massagen bekommen. Und bei aggressiven oder ADHS-diagnostizierten Kindern bessert sich das Verhalten signifikant, wenn sie nur 4 Wochen lang täglich eine 5-minütige Massage bekommen.

 

Berührung und Be-greifen sind wichtige Vorraussetzungen für die gesunde Persönlichkeitsentwicklung und legen den Grundstein für die Entwicklung von Vertrauen in die Welt, wie die Bindungsforschung belegt: Durch Anfassen, Streicheln und Schmusen mit ihrer Bezugsperson bekommen Kinder wichtige Rückmeldungen über sich selbst als lebendiges und geschätztes Wesen. Aber auch im Erwachsenenleben ist das Bedürfnis nach körperlicher Nähe immer da, wir brauchen Berührungen wie das tägliche Brot für unser Wohlbefinden. Je älter wir werden, desto seltener werden häufig die Gelegenheiten, die „Berührungsakkus“ im Alltag z. B. durch Kuscheln mit dem Partner/ Familienangehörigen (bei stetig steigender Zahl von Single-Haushalten ein abzusehendes Defizit), Friseurbesuch, Mannschaftssport, Massage, Paartanz etc. wieder aufzuladen. Hier bieten organisierte Kuscheltreffen eine gute Gelegenheit, dieses Grundbedürfnis zu befriedigen.

 

Neben diesem Abbau eines Defizits an Nähe und Berührung sorgt der achtsame Kontakt in der Gruppe für eine Aktivierung des Parasympathikus. Das bedeutet Entspannung und Abbau von Stresshormonen und bildet ein Gegengewicht zum oft hektischen Alltag. Gleichzeitig wird beim Kuscheln im Gehirn mehr Oxytocin produziert, das friedfertig macht und die Kommunikationsfreude fördert.

 

Durch die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung der eigenen Empfindungen und Bedürfnisse wird die Selbstwahrnehmung auf der körperlichen, „intuitiven“ Ebene gefördert.

 

Auch die Erprobung und das Üben neuer Verhaltensweisen im Kontakt wie z. B. die Zurückweisung eines gerade nicht passenden Berührungsangebots ist aufgrund des anonymen Rahmens „gefahrlos“ möglich – so kann ich vielleicht leichter als gegenüber engen Bezugspersonen sagen, dass mir eine bestimmte Berührung nicht gefällt, da ich keinen Abbruch der (- weil nicht dauerhaft vorhandenen -) Beziehung „riskiere“. Dadurch wird die Erfahrung möglich, dass der Kuschelpartner diese Grenze wohlwollend akzeptiert, was wiederum das Nein-Sagen auch in bedeutsamen Beziehungen erleichtert.

 

Neben diesen von den Teilnehmenden gewünschten Wirkungen kann es auch zu unerwünschten „Nebenwirkungen“ kommen:

 

In der Gruppe können alte Beziehungserfahrungen und daran gekoppelte Ängste und Überzeugungen aktiviert werden, z. B. „Wenn ich meine Bedürfnisse äußere, bin ich eine Last“, was das (gewohnte) Übergehen der eigenen Befindlichkeit und damit verbunden unangenehme Gefühle zur Folge haben kann. Bei psychisch weitgehend gesunden Personen können im Austausch mit der Leitung oder in der großen Austauschrunde diese Muster angeschaut, bewusst gemacht und durch neue Erfahrungen (s. oben) allmählich verändert werden. Bei Menschen mit Trauma-Erfahrungen wie Gewalt oder Missbrauch kann eine Erinnerung dieser Erlebnisse ausgelöst werden, weshalb eine Teilnahme an der Gruppe sorgfältig – z. B. durch ein Vorgespräch mit der Gruppenleitung bzw. im therapeutischen Kontext – geprüft werden sollte. Gleichzeitig besteht dann aber auch die Chance, diese Erlebnisse in dem geschützten Rahmen neu zu bewerten und sie so auch emotional auf eine feinere Schwingungsebene zu heben.

 

Daneben kann durch die erlebte Nähe das Fehlen von Berührungs-kontakten im Alltag schmerzlich ins Bewusstsein rücken, weshalb manche Menschen von einem „emotionalen Kater“ nach dem Besuch einer Kuschelparty berichten. Dieser vergeht allerdings meist schnell wieder und nach wiederholter Teilnahme überwiegen in der Regel die Gefühle von „Sattheit“ und Wohlbefinden.

 

Quellen:

 

Schrabal, Gerhard (2014): Kuschel dich glücklich! Die heilende Energie von Kuschelpartys. Schirner Verlag, Darmstadt

 

Karin Pittermann „Anfassen bitte!“; „bleib gesund“; Versicherten-zeitschrift der AOK Baden-Württemberg 1-2014, Ausgabe Rhein-Neckar-Odenwald

 

Ekmekcioglu, Cem und Ericson, Anita (2011): Der unberührte Mensch. edition a - Wahres Leben, Wien